Schmerz und Psyche - Wenn der Schmerz aufs Gemüt schlägt

Eigentlich hat Schmerz eine Warnfunktion. Er schützt uns. Jeder hat schon mal Schmerz erlebt. Nach einer Verletzung spüren wir ihn eine Weile. Dann aber verschwindet er. Doch es gibt auch Schmerzen, die monatelang andauern. "Schmerzen, die chronisch geworden sind, haben sich zu einer eigenständigen Krankheit entwickelt", erklärt Oberarzt Helmut Beck vom Regionalen Schmerzzentrum am Krankenhaus Wangen.

Weshalb ein akutes Schmerzgeschehen in eine chronische Schmerzkrankheit übergeht, dafür gibt es viele verschiedene Gründe. Nicht immer ist eine physische Verletzung die Ursache. "Experten sind sich einig, dass eine aktuelle oder auch länger zurückliegende seelische Ausnahmesituation oder eine soziale Belastung zur Chronifizierung von Schmerzen beitragen kann. Es gibt sehr große individuelle Unterschiede, wie sich der Schmerz manifestiert", erklärt der erfahrene Schmerzmediziner.

In Deutschland leiden mehr als zehn Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen. Die Hälfte davon ist dadurch stark beeinträchtigt. Chronische Schmerzen können zu einer Veränderung der Psyche führen. Menschen ziehen sich zurück, meiden Kontakte mit Mitmenschen. Sie werden einsam. Der Schmerz zermürbt sie - körperlich und seelisch. Die Spirale dreht sich immer schneller abwärts. "Spätestens jetzt sollten diese Menschen Kontakt zu einem erfahrenen Schmerztherapeuten suchen. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen", sagt Oberarzt Helmut Beck.

Doch gerade das ist das Dilemma: Viele wissen nicht, dass es speziell ausgebildete Schmerzmediziner gibt. Bis zur Diagnosestellung haben Patienten oft eine monate- oder jahrelange Odyssee mit vielen Arztbesuchen, stationären Klinikaufenthalten, verschiedensten Untersuchungen und Therapieversuchen hinter sich. Oft sehr spät gelangen sie irgendwann zu einem Arzt, der eine zur Behandlung jeglicher Art von Schmerzen spezielle Ausbildung hat.

"Wenn sich die Diagnose "chronisches Schmerzsyndrom" nicht durch eine alleinige körperliche Fehlfunktion hinreichend erklären lässt, steht oft eine psychosoziale Konfliktsituation in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Auftreten der Schmerzerkrankung", führt der Schmerztherapeut aus. Die Ursachenforschung und die Therapie erfolgen im Team. Ärzte verschiedener Fachdisziplinen, wie Schmerztherapeuten, Neurologen und Orthopäden, Psychologen, Pflegefachkräften und Physiotherapeuten betreuen Patienten am Regionalen Schmerzzentrum sowohl ambulant als auch stationär.

"Die multimodale Schmerztherapie kombiniert verschiedene Verfahren. Wir drehen sozusagen an verschiedenen Stellrädern gleichzeitig, um die Schmerzen zu lindern und die Patienten auch psychisch zu stabilisieren. Ziel ist es, mit einem reduzierten Schmerzniveau wieder mehr Lebensqualität zu erreichen", erklärt Oberarzt Helmut Beck.