Weltfrühgeborenentag: „Merle ist hier in den besten Händen“

Am heutigen Freitag ist Weltfrühgeborenentag. Die Mutter der 770 Gramm kleinen Merle, dem bis dato kleinsten Baby 2023 am EK, berichtet von ihrer Zeit in unserer Kinderklinik in Ravensburg.

 

Am heutigen Freitag wird in der Kinderklinik am St. Elisabethen-Klinikum der Weltfrühgeborenentag gefeiert. Der Bundesverband „Das frühgeborene Kind e.V.“ ruft seit 2011 jedes Jahr am 17. November dazu auf, auf die kleinen Kämpferinnen und Kämpfer aufmerksam zu machen. Mehr als 60 000 Babys - jedes zehnte Kind - kommen in Deutschland als Frühchen zur Welt, also in der 37. Schwangerschaftswoche oder früher. Ein Sechstel von ihnen wiegt bei der Geburt unter 1500 Gramm, etwa 1000 Babys sind leichter als 500 Gramm.

Am Ravensburger EK kommen jährlich etwa 200 Frühgeborene zur Welt. Das kleinste und zierlichste des Jahres, Merle Detzel, durfte am Donnerstag nach acht Wochen stationärem Aufenthalt endlich mit seiner Mutter Lisa Detzel und Vater Benjamin Scheyerle das Krankenhaus verlassen und sein eigentliches Zuhause in Vogt kennenlernen. 770 Gramm leicht und 32 Zentimeter klein war Merle bei ihrer Geburt am 20. September, drei Monate kam sie zu früh, in der 28. Schwangerschaftswoche, der Kopfumfang betrug gerade mal 23 Zentimeter. Seit Mittwoch wiegt sie exakt vier Pfund, und ihre Mutter, eine gelernte Altenpflegerin, ist erleichtert: „Eigentlich wollte ich Merle genauso wie Lena, unsere Dreijährige, am Westallgäu-Klinikum in Wangen zur Welt bringen“, sagt die 33-jährige Lisa Detzel. „Da mein Blutdruck und später auch die Dopplerwerte und die Versorgung des Kindes nicht mehr optimal waren, gingen wir dieses Mal nach Ravensburg an die Kinderklinik. Es ging alles plötzlich sehr schnell. Mein Blutdruck war bei 210/120, meine Frauenärztin schickte mich ans EK, und hier haben wir uns wegen der Schwangerschaftsvergiftung und der zunehmend schlechteren Versorgung für einen Kaiserschnitt entschieden, um einen späteren Notkaiserschnitt zu vermeiden.“

Frisch auf der Welt wurde Merle sofort verkabelt und im Inkubator warmgehalten. Sechs winzige Schläuche, Sonden und Infusionen halfen ihr bei Ernährung und Atmung und kontrollierten die lebenswichtigen Funktionen. Auch Coffeintröpfchen bekam das Baby – in jedem stecken 0,5 Milligramm Koffein, das die Atmung und Aktivität unterstützt. Und die Pflegekräfte brachten selbstgestrickte Mützchen und eine Wimpelkette, auf der jeder 500-Gramm-Schritt extra einen Aufdruck bekam.

„Wir sind wahnsinnig froh, dass wir hier sein konnten. Es stand kurz im Raum, dass wir in die Uniklinik Ulm gehen, aber wir sind hier hervorragend betreut worden“, erzählt Lisa Detzel. „Die Mitarbeiterinnen in Ravensburg sind nicht nur fachlich kompetent, sondern auch wahnsinnig freundlich und haben mir immer wieder Mut gemacht. Deshalb konnte ich es auch gut ertragen, dass ich nach meiner Entlassung zwar jeden Tag einige Stunden hier war, aber immer wieder zurück zu meiner anderen Tochter gefahren bin. Nur durch die Nähe zum Krankenhaus, den Ärzten und Pflegekräften war es uns möglich, den Spagat zwischen Alltag mit unserer Tochter zu Hause und der Zeit mit Merle im Krankenhaus zu meistern. In Ulm wäre das extrem schwierig geworden. Ich glaube auch nicht, dass Kliniken weniger gut sind, nur, weil sie kleiner sind.“

Die Kinderklinik habe „unzählige Methoden und Maßnahmen angewandt, um Merle zu helfen“, erläutert Detzel. „Die Pflegekräfte haben sogar ein Frühchen-Tagebuch mit den wichtigen Meilensteinen für uns mitgeschrieben, damit wir keinen wichtigen Moment verpassen.“ Und Dr. Susanne Bachthaler von der Sinova-Klinik, mit der die OSK kooperiert, habe die Eltern „täglich mit vielen Gesprächen unterstützt, um die Geschehnisse zu verarbeiten. Besonders beeindruckt hat mich die Ruhe der Mitarbeiterinnen und der Optimismus, den sie ausgestrahlt haben. Die Kleine macht das super, haben sie immer gesagt. Das ist so ein Überflieger. Das tat so gut. Und das hat mir die Angst genommen. Ich wusste einfach, Merle ist hier gut aufgehoben und in den besten Händen. “

Das Perinatalzentrum in Ravensburg, das für die höchste Versorgungsstufe 1 zertifiziert ist, kann Frühgeborene jeden Alters versorgen. Im EK bleiben die kleinen Patienten im Schnitt sechs bis zwölf Wochen, zunächst auf der Kinderintensivstation, später auf der Intermediate Care. Sie werden rund um die Uhr von Ärzten, Pflegekräften und Physiotherapeuten betreut.

„Wir hatten hier auch schon Kinder mit 500 oder 600 Gramm“, sagt Steffen Wiedenmann, Leiter der Kinderintensivstation, und erläutert: „Häufigste Ursache für Frühgeburten sind Infektionen gefolgt von Schwangerschaftsvergiftungen, das bedeutet: Blut- und Leberwerte der Mütter werden schlechter, die Blutversorgung des Babys ist nicht mehr gesichert.“ Darum hole man die Frühgeborenen zumeist per Kaiserschnitt auf die Welt. „Danach werden sie sofort an die Überwachung angeschlossen und bei der Atmung unterstützt oder mit einer Beatmungsmaschine dazu animiert. Merle war sehr zierlich, sie hat sechs Wochen Atemunterstützung gebraucht, aber das ist in diesem Stadium ganz normal.“

Der Ravensburger Chefarzt Dr. PD Andreas Artlich, Vizepräsident des Verbands der Leitenden Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen Deutschlands, fühlt sich vom Feedback der Frühchenfamilien bestätigt: „Es braucht in unserer Region definitiv ein Level I Zentrum.“ Das EK hat als einzige Klinik in der Region diese höchste Versorgungsstufe für Frühgeborene – sie kommen auch aus den Kreisen Biberach, Sigmaringen und vom Bodensee. Dr. Artlich betont, das Team der Kinderklinik hole auch nicht selten kranke Neugeborene aus den Geburtskliniken der Umgebung mit dem Baby-Notfallwagen ab. „Ulm als Alternative ist viel zu weit weg, um all diese Kliniken im Notfall schnell zu erreichen.“

Besonders wichtig für ein gutes Behandlungsergebnis sei die Unterstützung der Eltern: „Die Mütter haben oft weitere Kinder, sie können sich für die Betreuung nicht vierteilen, sie brauchen kurze Wege, und sie benötigen auch die Unterstützung ihres Umfelds, wie auch die Corona-Zeit zeigte, als viele Mütter am Besuchsverbot litten. Diese Unterstützung erhalten sie aber nur durch Nähe, mit einer Kinderklinik in ihrer Region wie der unseren. Das ist medizinisch ein Riesenvorteil“, erklärt Chefarzt Dr. Artlich. „Die Mütter hier sind höchstzufrieden, auch, weil wir modernste entwicklungsfördernde Pflegekonzepte umsetzen genau wie die universitären Zentren. Unsere Ergebnisse können sich sehen lassen.“