Schlaganfall-Experten kümmern sich in Ravensburg rund um die Uhr um die Patienten
Ravensburg – Mehr als eine Viertelmillion Menschen in Deutschland erleiden pro Jahr einen Schlaganfall, also eine Durchblutungsstörung im Gehirn oder eine Gehirnblutung. Wie man diese gravierende Verletzung, die zum Tod und in einem Drittel aller Fälle zu schweren Behinderungen führen kann, zeitschnell, optimal und auch nachhaltig behandelt, zeigte die Oberschwabenklinik bei ihrem Schlaganfall-Tag am St. Elisabethen-Klinikum.
„Schlaganfälle sind in Deutschland die dritthäufigste Todesursache nach Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen. Es kann jeden treffen. Im Schnitt sind die Patienten 75 Jahre alt, wobei Schlaganfälle auch im jüngeren Lebensalter auftreten können“, sagt Prof. Dr. Dietmar Bengel. Der Chefarzt für Neurologie am EK leitet in Ravensburg die seit 25 Jahren bestehende Schlaganfall-Spezialeinheit, die Stroke Unit. Sie ist von der Deutschen Schlaganfallgesellschaft und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe als überregionaler Schlaganfallschwerpunkt zertifiziert und eines von neun Schlaganfallzentren in Baden-Württemberg. „Unsere Patienten werden hier nach modernsten medizinischen und pflegerischen Methoden betreut und versorgt“, sagt Dr. Bengel.
Die Stroke Unit am EK verfügt derzeit über zehn zertifizierte Überwachungsbetten. Jedes Jahr werden im Zentrum mehr als 1000 akute Schlaganfallpatienten behandelt. Rund um die Uhr steht ein speziell geschultes Team aus Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten, Sozialdienst und Ärzten zur schnellen umfassenden Diagnostik und Therapie von Hirninfarkten und Hirnblutungen zur Verfügung. Die Stroke Unit arbeitet zudem in enger Kooperation mit Neuroradiologen, Gefäßchirurgen, Kardiologen und Neurochirurgen und bei Bedarf auch mit Neuropsychologen zusammen.
Was ein Schlaganfall medizinisch bedeutet, erläutert Oberarzt Dr. Martin Ribitsch. „Es ist eine Erkrankung, die mit einer akuten Schädigung von Gehirngewebe einhergeht und in Abhängigkeit der Region unterschiedliche neurologische Ausfälle verursacht, die auch vorübergehend sein können. Jedes Gehirnareal hat unterschiedliche Aufgaben und Funktionen, die betroffen sein können“, sagt Dr. Ribitsch. Größte Risikofaktoren seien Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Übergewicht, Rauchen, Diabetes und eine Ernährung mit zu vielen tierischen Fetten – also Dinge, die beeinflussbar sind. „Aber auch Dinge, die nicht zu ändern sind, können zu einem Schlaganfall führen: Mit dem Alter steigt das Risiko ebenso an wie bei genetischer Vorbelastung. Männer haben ein größeres Risiko, ebenso Patienten, die schon einen Schlaganfall hatten, das sind 25 Prozent aller Fälle“, erklärt der Oberarzt. „Die gute Nachricht ist: Die richtige Therapie kann das Risiko für einen erneuten Anfall um bis zu 70 Prozent senken, und für diese Therapie stehen wir hier an der Oberschwabenklinik.“
Symptome für einen Schlaganfall sind laut Dr. Ribitsch oft eine Halbseitenlähmung oder Sprachstörung. Aber auch andere Symptome wie Gang- und Koordinationsstörungen, Schwindel, Sehstörung, Gesichtslähmung (etwa ein hängender Mundwinkel) oder Verwirrtheit können mit einem Schlaganfall einhergehen. Wer diese Symptome bei sich oder anderen feststelle, solle sofort den Rettungsdienst unter der Nummer 112 wählen. Entscheidend nach einem Schlaganfall sei die rasche Diagnose und der sofortige Beginn der Therapie. „Je schneller man reagiert, desto besser und größer ist die Chance, dass man wieder völlig gesund wird“, sagt Dr. Ribitsch.
Nach Einlieferung des Patienten in die Notaufnahme erfolgt eine sofortige neurologische Untersuchung und Bildgebung des Kopfes. Kann eine intrazerebrale Blutung ausgeschlossen werden und liegt der Beginn der Symptomatik nur wenige Stunden zurück, wird sofort versucht, das verschlossene Blutgefäß mittels einer Thrombolyse-Therapie, einer medikamentösen Auflösung eines Gerinnsels oder einer Thrombektomie (Entfernung des Gerinnsels mittels Kathetertechnik), für Dr. Ribitsch laut Studien klar die beste Akuttherapie, wieder zu eröffnen. Das EK ist im weiten Umkreis das einzige Klinikum, das über eine Hauptfachabteilung für interventionelle Neuroradiologie verfügt und damit seinen Patienten diese Chancen eröffnen kann. Liegt eine Gehirnblutung vor, so ist eine sofortige Blutdrucksenkung notwendig.
Um eine weitere Verschlechterung zu verhindern, müssten zudem die Risikofaktoren, also die Ursachen des Anfalls, umgehend erkannt und behandelt werden, so Dr. Ribitsch. Das Blut müsse verdünnt, Blutdruck und Cholesterin gesenkt werden. „Wichtig ist, bei allen Therapien interdisziplinär und abgestimmt zu arbeiten, so wie wir es hier in unserer Stroke Unit tun.“
Wie dies auf der Spezialstation A11 konkret aussieht, erläuterten Stationsleitung Valentina Weber und Stellvertreter Manuele Volpe. Auf der A11 werden Schlaganfallpatienten bis zu 72 Stunden überwacht und regelmäßig neurologisch untersucht, zudem gibt es weiterführende Diagnostik (MRT, Echo, Doppler). Die Stroke Unit arbeitet mit hochstandardisierten Therapien, etwa dem Bobath-Konzept, bei dem die Lernfähigkeit des Gehirns genutzt wird, um verlorene Funktionen wiederzuerlangen oder durch andere Bewegungsmuster zu kompensieren. Die basale Stimulation wiederum soll mittels Berührungen und Gerüchen Sinne und Wahrnehmung des Patienten stimulieren. Bei der Kinästhetik werden Bewegungsabläufe möglichst kraftsparend und einfach vermittelt.
So früh wie möglich werden am EK die Spezialtherapeuten aus Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie miteinbezogen, ebenso sind Sozialberatung und Pflegeüberleitung involviert. Sie sind Ansprechpartner für Patienten und Angehörige in punkto Nachsorge und Pflege nach dem Klinikaufenthalt. Häufig werden die Patienten allerdings zunächst von der Stroke Unit zunächst noch auf der Normalstation respektive auf der geriatrischen oder neurologischen Rehabilitation weiterversorgt.
Wie sorgsam, akribisch und liebevoll im EK mit den Schlaganfall-Patienten gearbeitet wird, darüber berichtete auch Evi Hochuli, Leitende Logopädin, die die Therapie der Sprach-, Sprech- und Schluckfindungsstörungen der Patienten thematisierte, Physiotherapeut Lars-Arne Schott führte das Leitmotto seiner Abteilung - „Frühes bewegen hilft dem Hirn beim Bauen“ - konkret aus, Dominique März die Leistungen der Ergotherapie.
Wie sehr sich die OSK auch um die Nachsorge kümmert, beschrieben Karin Geffers und Evelyn Frankenhauser. Geffers, vor Jahren selbst Schlaganfallpatientin, leitet ehrenamtlich die Infostelle für Patienten und Angehörige am EK und zudem seit 25 Jahren eine Selbsthilfegruppe. Für alle Fragen, die für Patienten oder Angehörige während und nach dem Klinikaufenthalt wichtig sind und das Leben nach einem Schlaganfall betreffen, ist sie eine kompetente Ansprechpartnerin – ebenso wie die Stroke Nurse Evelyn Frankenhauser. Um Patienten den Weg zurück in die Normalität zu erleichtern, bietet das EK ein freiwilliges, kostenfreies Nachsorgeprogramm an. Als Schlaganfall-Lotsin ermittelt Evelyn Frankenhauser mit den Betroffenen individuelle Risikofaktoren für einen erneuten Infarkt und entwickelt einen Nachsorgeplan. Ein halbes Jahr lang bleibt die Schlaganfall-Lotsin für Patienten und Angehörige Ansprechpartnerin bei allen Fragen zu Erkrankung, Therapie und Hilfen. Ziel ist, durch Aufklärung und Stärkung der Eigenverantwortung Prävention zu leisten. Weitere Schlaganfälle sollen vermieden werden, der Pflegebedarf gering bleiben.