Mit Fleiß und Ausdauer macht ein Flüchtling seinen Weg

„Die ersten Wochen waren furchtbar“, erinnert sich Youchahou NS. „Die Lehrer kamen ins Klassenzimmer und redeten über irgendetwas. Verstanden habe ich nichts.“ Stundenlang saß der Auszubildende zur Gesundheits- und Krankenpflege nachmittags in seinem Zimmer und arbeitete den Stoff nach.

 „Ich wusste, es gab nur eine Lösung: fleißig sein“, blickt er zurück. Der Flüchtling aus Kamerun lernte mit dem Wörterbuch neben dem Heft. „Jedes Wort, das Du heute lernst, musst Du morgen nicht mehr nachschlagen“, arbeitete er sich mühsam voran. Er dachte ans Aufhören. Dorothee Maurer, die Leiterin der Pflegeschule am Westallgäu-Klinikum in Wangen, habe ihn darin bestärkt, nicht aufzugeben. „Du schaffst das“, hämmerte er sich selbst ein.

Mit der Pflegepraxis hatte er ja keine Probleme. „Wenn man mitdenkt, versteht man, was von einem gebraucht wird.“ Aber musste diese schwere Anatomie im Unterricht wirklich sein? Jetzt, fünf Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland, ist es geschafft. Das Examen ist bestanden. Youchahou NS versorgt auf der Station 3 B des Westallgäu-Klinikums die Patienten.

Eine Station, die er bestens kennt. Hier hat er bereits sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), den ersten Schritt in den Pflegeberuf, absolviert. Doch bis dahin war es ein weiter, von Hindernissen übersäter Weg. Aus Kamerun war er per Flugzeug in die Türkei gelangt. Von dort im kleinen Boot über das Mittelmeer nach Griechenland. Zwei Anläufe waren nötig. Beim ersten schickte ihn die Grenzpolizei wieder zurück. Über die Balkanroute ging es nach München.

Dort wurde der damals 24-Jährige von der Polizei aufgegriffen und stellte Asylantrag. Berlin, Heidelberg und Kassel waren die weiteren Stationen. Schließlich kam er über die bundesweite Verteilung der Flüchtlinge nach Hannober bei Waldburg. Eine entscheidende Wende in seinem bisherigen Leben.

Familie Weber aus Edensbach kümmerte sich im freiwilligen Helferkreis um die Flüchtlinge. „Frau Weber hat mir die Bewerbung geschrieben“, erinnert sich Youchahou NS. „Ich wollte unbedingt arbeiten. Irgendetwas.“ Im Alter von 18  Jahren, noch in Kamerun,  hatte sich der Wunsch entwickelt, im Krankenhaus tätig zu werden. Das war auch jetzt in Deutschland das Ziel. „Und wenn es nur die Küche ist – Hauptsache Krankenhaus.“

Die Bewerbung bei der Oberschwabenklinik war erfolgreich. Er durfte ins FSJ. Was das ist, hatte Youchahou NS bis dahin nicht gewusst. Die Praxisanleiterin habe es ihm beim Bewerbungsgespräch erklärt. „Auch mit Händen und Füßen.“ Wichtig sei ihm gewesen, dass damit eine Gratis-Wohnung verbunden war. Dankbar ist er den Flüchtlingshelfern aus Edensbach. „Ohne sie wäre ich nicht weitergekommen.“ Allen Ehrenamtlichen, die sich hierzulande um die Geflüchteten kümmern, gebühre großer Dank.

 Als Youchahou NS ins Land kam, konnte er kein Wort Deutsch. „Natürlich“, sagt er, „die Sprache ist schwierig.“ Er hat sich hineingekniet und bereits drei Monate nach seiner Ankunft das Level A 2 erreicht. Heute spricht er Deutsch fließend. Ja, er fühlt sich integriert. Den 29-Jährigen dreht aber die Frage um: Ob ihn auch die Menschen um ihn  herum als integriert wahrnehmen? Da hat er seine Zweifel. Ob bei den Patienten in der Klinik, den Einkäufern in der Bäckerei oder den Fahrgästen im Zug - „man lässt mich überall merken, dass ich nicht von hier bin.“ „Was muss ich denn noch machen?“, fragt er sich manchmal.

Im Gespräch trägt er das grüne Shirt der „unbezwingbaren Löwen“, des Fußballnationalteams von Kamerun. Den Kontakt in die Heimat, zur Familie, hält er aufrecht. Rückkehr? Irgendwann vielleicht, meint er. Der Asylantrag ist zwar abgelehnt. Aber er hat Bleiberecht, solange er im erlernten Beruf arbeitet. Gibt es Zukunftspläne? „Im Hinterkopf ja“, sagt er und lächelt. Jetzt gehe es erst einmal darum, in den Pflegeberuf „hineinzukommen.“ Mit Fleiß. Immer wieder fällt das Wort.

„Es gibt sehr viele wie mich, die eine Berufsausbildung gemacht haben“, betont Youchahou NS abschließend. „Von ihnen sollte man hören, von ihnen sollte man sprechen.“ Die Erfolgsgeschichten wären viel besser als öffentlich immer nur die negativen Seiten zu thematisieren. „Ja“, bestätigt er, ihm gefällt sein Beruf. Und ihm gefällt sein Arbeitsplatz im Westallgäu-Klinikum.