Mit 10 000 Hertz den Schmerz an der Wurzel packen

Chronische Schmerzen sind eine Qual. Wenn weder konservative Behandlungen noch Operationen helfen, bleibt als letzte Möglichkeit die Rückenmarks-Stimulation. An der Klinik für Neurochirurgie des Krankenhauses St. Elisabeth in Ravensburg wird sie seit sechs Jahren praktiziert. Über 250 Patienten konnte Oberärztin Dr. Ioana Knöller durch das Legen einer Schmerzsonde helfen. Jetzt ist das Spektrum durch eine neue Methode erweitert: die „HF 10-Therapie“, bei der spezielle Elektroden elektrische Impulse mit 10000 Hertz ans Rückenmark abgeben und so den Schmerz ausschalten.

"Die Rückenmarks-Stimulation setzen wir nur dann ein, wenn wir durch andere medizinische Maßnahmen die Beschwerden nicht mehr lindern konnten", erläutert Dr. Knöller. Eine Voraussetzung ist, dass der Patient zuvor mindestens drei bis sechs Monate lang eine multimodale Schmerztherapie durchlaufen hat.

Die Rückenmarks-Stimulation ist eine bereits seit 25 Jahren etablierte Therapieform bei chronischen Schmerzen im Rücken oder in den Beinen. Bis vor kurzem wurden ausschließlich niederfrequente Impulse mit 40 bis 60 Hertz eingesetzt. "Das herkömmliche Verfahren bieten wir am EK Ravensburg weiterhin an, aber es führt nicht bei allen Patienten zum gewünschten Erfolg", erklärt die Oberärztin. Die neue, von dem weltweit tätigen kalifornischen Medizintechnikunternehmen Nevro entwickelte HF 10-Therapie erweitert die Möglichkeiten der Schmerzbehandlung.

Hauptunterschied zum niederfrequenten Verfahren ist, dass 10 000 Impulse pro Sekunde zum Einsatz kommen. Bei der herkömmlichen Methode löst den Schmerz ein Kribbeln ab, das viele Patienten als störend empfinden. Bei der HF 10-Therapie treten spürbare unerwartete Impulse nicht auf. Für die Patienten bedeutet dies weniger Einschränkungen im Alltag und seltener Schlafstörungen.

Hinzu kommt, dass die Operation deutlich einfacher ist als beim bisherigen Verfahren. "Als Operateurin bin ich nicht mehr auf Auskünfte des Patienten während der Implantation angewiesen, um die Elektroden korrekt zu platzieren. Der Eingriff kann deshalb nun für den Betroffenen angenehmer in Vollnarkose erfolgen", erläutert Dr. Knöller. Da mehrere Schritte entfallen, dauert die OP auch kürzer.

Bei der Operation steht immer auch ein Experte der Firma Nevro mit am Tisch. "Er muss das Gerät stimulieren", erläutert die Ärztin. Einmal eingestellt und regelmäßig in einer fachärztlichen Sprechstunde überprüft, funktioniert die HF 10-Therapie ohne das in der Vergangenheit nötige permanente Nachjustieren. Dies war manuell nötig, je nachdem, ob der Patient sitzt, liegt oder läuft.

Die Schmerzsonde ist ein flexibler Stab mit etwa drei Millimetern Durchmesser, der in den Spinalkanal eingeschoben wird. "Die Sonde ist relativ schwer zu legen", betont die Oberärztin. Der Operateur muss sich im Spinalkanal exzellent auskennen. Deshalb kooperiert die Herstellerfirma Nevro auch nur mit Kliniken, die über Ärzte mit der entsprechenden Erfahrung verfügen. Nach der OP bleiben die Patienten drei Tage in der Klinik. Danach folgt eine dreiwöchige Testphase zu Hause, bei der die Sonde von außen mit Strom versorgt wird. Erst wenn sich herausgestellt hat, dass die Therapie anschlägt, werden auch die Batterien implantiert.

"Das Hochfrequenzverfahren ist eine gute Methode, um auch in solchen Fällen zu helfen, in denen die Patienten bisher an ihrem Schmerz verzweifeln", beurteilt Dr. Knöller HF 10. Im vergangen Jahr hat sie in Ravensburg bereits 20 Menschen erfolgreich nach der neuen Methode behandelt. "Mittlerweile gibt es auch Studien, dass sie nicht nur bei Rücken- und Beinschmerzen, sondern auch bei Genick- und Kopfschmerzen hilft." Mit HF 10 biete das EK einen medizintechnischen Fortschritt, der vielen Patienten helfen wird. Welches Verfahren der Rückenmarks-Stimulation hilft, komme aber immer auf den einzelnen Patienten an. "Wir haben uns am EK auf den Einsatz von drei Sondentypen von den Firmen Nevro und St. Jude Medical konzentriert, mit denen wir das ganze Spektrum abdecken", berichtet Dr. Knöller.