Minister Lucha informiert sich über die „Digitale Sprechstunde“

Über das Pilotprojekt „Digitale Sprechstunde für Diabetes-Patienten“ hat sich Sozial- und Integrationsminister Manfred Lucha am St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg informiert. Ärzte und Patienten legten dar, dass es die technischen Möglichkeiten gibt, aber in der Praxis die fehlende Kompatibilität unterschiedlicher Software-Lösungen ein großes Problem darstellt. Einigkeit herrschte darüber, dass digitale Techniken in der Gesundheitsversorgung ein Mehr an Lebensqualität für Patienten und ihre Familien bewirken kann.

"Diabetes mellitus ist die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter", berichtete Dr. Uta Faller, Oberärztin an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Die Zahl der Betroffenen nehme zu und die Kinder würden bei der ersten Diagnose immer jünger. Das jüngste Kind war zuletzt erst zehn Monate alt. Seit 1996 ist Dr. Faller an der Klinik. Die Zahl der betreuten jungen Diabetespatienten ist in dieser Zeit von 60 im Jahr auf über 200 gestiegen. 60 Prozent von ihnen werden mit Insulin-Pumpen versorgt.

Die OSK hatte einen 16-jährigen Patienten aus Biberach und eine sechsjährige Patienten aus dem Bodenseekreis zum Ministerbesuch eingeladen. Sie demonstrierten, wie sich heutzutage durch digitale Messgeräte am Körper Daten erfassen und direkt auf den PC des Arztes übertragen lassen. Der 16-Jährige legte sein Handy ans Messgerät, aktivierte eine Bluetooth-Verbindung und überspielte auf diesem Weg seine Werte an Dr. Faller. Sein Problem: Er hätte sich gerne ein anderes Handy gekauft, doch die Software war mit der seines Messgerätes nicht kompatibel.

"Blutzuckermessungen direkt in den PC einzuspielen, ist heute Standard. Aber wir haben keine einheitliche Softwarestruktur. Das ist ein Problem", schilderte Dr. Faller dem Minister den Stand des technisch Machbaren. "Die Patienten sind mobil, jeder hat ein Handy. Aber die Daten bleiben stecken", unterstrich Jörg Napp, IT-Leiter der OSK, die Problematik. Von einem "Schnittstellenwirrwarr" spricht gar Dr. Jan-Ove Faust, Direktor Medizin und Pflege der OSK. Um zu den erforderlichen klaren technischen Strukturen zu kommen, sucht man mit dem Projekt am EK nach Antworten auf diese Problematik, betonte Manfred Lucha.

Das Sozialministerium erkundet im Zuge der Digitilisierungsstrategie "digital@bw" der Landresregierung Wege zur Digitalisierung in Medizin und Pflege. 3,7 Millionen Euro stehen dafür bereit. Über 100 Bewerbungen gingen ein. 14 wissenschaftlich begleitete Projekte wurden vom Sozialministerium ausgewählt. Eines davon ist die digitale Sprechstunde an der Ravensburger Kinderklinik. 406 000 Euro fließen dafür aus Stuttgart.

Eine Plattform für junge Patienten bereitzustellen, für die ein lockerer und unverkrampfter Umgang mit digitalen Medien Alltag ist, sieht Lucha als gemeinsame Aufgabe der Praktiker an den Versorgungseinrichtungen, der Wissenschaft und der Industrie. Vom Ravensburger Projekt , einer "Pionierarbeit", erwartet sich der Minister Hinweise, mit wem das Ministerium reden muss und welche Firmen gegebenenfalls gezielt anzusprechen sind. Ganz bewusst hat das Land dieses Thema selbst in die Hand genommen und überlässt es nicht den freien Kräften auf dem Markt der Digitalanbieter. "Alles, was wir jetzt auf den Weg bringen, soll in Regelstrukturen übergeführt werden", betonte der Minister.

Technik eröffnet für die Betroffenen eine Chance auf mehr Lebensqualität, fasste Eva-Maria Meschenmoser, die Erste Landesbeamtin, zusammen. Die Mutter der sechsjährigen Patienten schilderte, was dies im konkreten Falle für eine Familie bedeutet. Drei bis vier Mal im Jahr muss ihre Tochter zur Untersuchung nach Ravensburg fahren. Anfangs seien ihr diese drei Monate sehr lange vorgekommen. "Für die Familien kommt viel Technik neben dem anderen Neuen noch hinzu", kann es Oberärztin Dr. Carmen Ludwig-Seibold verstehen. Mit der Zeit aber zeigt sich, dass für vieles die Fahrt ins Klinikum eigentlich gar nicht nötig wäre. Eine Blutabnahme kann zum Beispiel genauso gut in der Praxis des örtlichen Kinderarztes geschehen.

Die niedergelassenen Praxen mit einzubinden, ist eines der Ziele des Projektes "Digitale Sprechstunde". Die jungen Patienten könnten sich in der Praxis ihres Kinderarztes einfinden und von dort aus über eine Datenverbindung mit den Experten in der Klinik sprechen. Es würde den Eltern gerade in einer ländlichen Region viele weite Wege ersparen. Die digitale Technik kann kranken jungen Menschen und ihren Familien die Chance auf mehr Lebensqualität eröffnen, fasste Eva-Maria Meschenmoser, die Erste Landesbeamtin im Ravensburg, zusammen. Darum geht es letztlich in dem Projekt.