„Die Sucht kam schleichend“

Was verboten ist, übt auf Jugendliche meist einen besonderen Reiz aus. Ein erhobener Zeigefinger vermag dagegen kaum anzukommen. Im Durchschnitt beginnen Jugendliche im Alter zwischen 13 und 14 Jahren zu rauchen. Aber das Engagement von Präventionsmaßnahmen für Jugendliche war in den letzten Jahren erfolgreich. Vorbildlich ist hier die Realschule Markdorf. Unter dem Titel “SehnSucht” veranstaltet sie für die 7. Klassen spezielle Aktionstage zur Sucht- und Drogenprävention. Im Rahmen dieses Projekts waren 80 Schüler Gast bei Prof. Dr. Günther J. Wiedemann im Krankenhaus St. Elisabeth.

Prof. Dr. Wiedemann trifft die Sprache der Jugendlichen, die in dem kritischem Alter sind, sich für oder gegen Nikotin zu entscheiden. "Rauchen ist nicht männlich, nicht weiblich und schon gar nicht kindisch. Rauchen ist tödlich", sagt er. Annkathrin Bengel, die 14-jährige Tochter des Chefarztes für Neurologie PD. Dr. Dietmar Bengel, unterstützt ihn bei seinem Vortrag. Die aktive Sportlerin hat sich selbst für ein rauchfreies Leben entschieden.

Dr. Dominik Jost, Chefarzt der Klinik für Gefäß-, Endovascular- und Thoraxchirurgie, schiebt einen im Rollstuhl sitzenden Patienten in den Raum. Die neugierigen Blicke sind auf den 65-Jährigen gerichtet. "Meine erste Zigarette habe ich heimlich mit zwölf geraucht, weil ich zur Clique dazugehören wollte", sagt er mit tiefer verrauchter Stimme. Die Ärzte mussten ihm im Oktober das rechte Bein amputieren. Seit Monaten wird er stationär behandelt, da er unter schweren Durchblutungsstörungen leidet. Einer der Schüler möchte wissen, ob er nach der Amputation mit dem Rauchen aufgehört hat. Lautes Gemurmel ist zu hören, als der Patient die Frage verneint. Die Nikotinsucht konnte er trotz allem bis heute nicht besiegen.

Dr. Jost erklärt den jungen Menschen, wie sich das Rauchen auf die Gefäße auswirkt. Durch das Rauchen kann es zu Durchblutungsstörungen kommen bis hin zu Raucherbein oder gar zur einer Amputation.

Auch die Diagnose Lungenkrebs ist für die Betroffenen ein harter Schlag. So auch für die 66-jährige Patientin, die an diesem Nachmittag zwischen den Schülern sitzt. "Es herrschte damals ein Gefühl der Zusammengehörigkeit wenn man im Büro rauchte. So fing auch ich mit 24 Jahren an. Die Sucht kam dann schleichend. Man hat sich ständig eingeredet, dass man doch jederzeit aufhören könnte. Nun bin ich an Lungenkrebs erkrankt", sagt sie leise. Betroffenheit und Stille kehren ein.

"Nikotin macht glücklich und deshalb abhängig. Die schrecklichen Folgen des Rauchens treten erst nach Jahren auf", erklärt Prof. Dr. Wiedemann. Die abschließende Diskussion moderiert Annkathrin Bengel. Die vielen interessierten Fragen der Schüler spiegeln ihre Betroffenheit und Nachdenklichkeit wider.

Schüler der Markdorfer Realschule sind bereits das zehnte Mal im Rahmen des Projekts "SehnSucht" Gast im Krankenhaus St. Elisabeth. Die Präventionsmaßnahmen an Schulen tragen Früchte. Laut aktuellen Statistiken geht die Raucherquote kontinuierlich bei den 12- bis 17-Jährigen zurück. Sie liegt heute nur noch bei knapp zehn Prozent.