„Dass ich so schnell wieder fit bin, hat mich selbst überrascht“

Am EK werden auch ältere Menschen operiert, mit Erfolg: Marlies Frielinghaus, 88, Tumorpatientin, ist das beste Beispiel

 

Ravensburg – Wenn Marlies Frielinghaus erzählt, welche Erkrankungen sie bereits überstanden hat, dann klingt es, als lese ein Arzt drei Kapitel aus der Pschyrembel vor. Schlaganfall, Herzinfarkt, ein extremer, unerklärlicher Gewichtsverlust in jungen Jahren, auch private Schicksalsschläge, all das hat die 88-Jährige aus Oberzell bei Ravensburg in ihrem Leben bereits überwunden. Vielleicht, weil sie tougher ist als andere. Marlies Frielinghaus, die früher gerne große Bergtouren in Angriff nahm, gibt nicht so schnell auf, kurz gesagt: Sie gibt gar nicht auf. Als Bewährungshelferin der JVA Ravensburg, für die sie bis ins hohe Alter von 80 Jahren ehrenamtlich tätig war, übernahm sie auch jene Fälle, die als hoffnungslos galten. „Auch die harten Jungs landeten ab und an bei mir, irgendwie habe ich Zugang zu ihnen gefunden. Sie haben mir vertraut, und ich konnte ihnen helfen“, sagt sie. „Wenn man Angst hat, ist das kein passender Beruf.“

Und weil sie selbst vertraut und sich helfen lässt, hat Marlies Frielinghaus auch eine Krebserkrankung, von der sie im Herbst erfuhr, wieder besiegt. Da ihr Allgemeinzustand trotz ihrer Vorerkrankungen noch immer sehr gut ist – Marlies Frielinghaus lebt im Betreuten Wohnen und kann fast alle Dinge des täglichen Lebens selbst erledigen –, zögerten die Ärzte am St. Elisabethen-Klinikum nicht lange, als sie bei einer Gastroskopie einen Magen-Tumor entdeckten. Operieren oder nicht? Selbstverständlich wurde die 88-Jährige operiert – nach Abklärung aller Risiken und so schonend wie möglich, mit dem Da-Vinci-Roboter. Bereits am Abend konnte sie mit Unterstützung ihres Rollators wieder laufen. „Ich hatte keine Angst vor der Operation, weil ich den Ärzten hier vertraue“, sagt Marlies Frielinghaus. „Ich war schon so oft hier, und ich war immer zufrieden. Herr Emmanouilidis ist so ein wunderbarer, netter, sympathischer Arzt. Er hat mir alle Details, Vorteile und mögliche Risiken erklärt, ruhig, gelassen, lächelnd, immer freundlich. Ich war gelassen. Aber dass ich so schnell wieder fit bin, hat mich selbst überrascht.“
 

Der angesprochene Sotirios Emmanouilidis ist Oberarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral und Thoraxchirurgie am EK, einst war er einer von Deutschlands jüngsten Oberärzten. Er führte die Operation gemeinsam mit Chefärztin Prof. Karolin Thiel durch, einer renommierten Speiseröhren- und Magenchirurgin. „Wir versuchen, jedem Patienten bestmöglich zu helfen, das gilt auch für ältere Menschen, auch für Hochbetagte“, sagt Prof. Thiel. „Wir schauen uns jeden Patienten individuell an und untersuchen, wie sein Allgemeinzustand ist. Es gibt 90-Jährige, die fitter sind als 70-Jährige, kürzlich haben wir sogar einen 96-jährigen Mann operiert – mit Erfolg. Und das galt auch für Frau Frielinghaus. Ihre Operation war kein Spaziergang, aber es gab keine Alternative. Der Tumor wäre sonst immer weitergewachsen und hätte massive Probleme verursacht.“

Dass Magenoperationen heute auch im hohen Alter möglich sind, liegt daran, dass sie durch den Roboter wesentlich stressfreier geworden sind für den Körper. „Bis vor wenigen Jahren hätte man hier einen großen Bauchschnitt benötigt mit einem entsprechend großen OP-Trauma und langer Heilungs- und Regenerationszeit“, sagt Sotirios Emmanouilidis. „Heute reichen fünf kleine Einstiche, die lediglich acht bis 12 Millimeter große Wunden hinterlassen. Dank der filigranen Da-Vinci-Instrumente des Roboters und deren großer Bewegungsfreiheit können wir den Tumor äußerst präzise und interventionsarm entfernen. Dass Patienten schon wenige Stunden nach einer solchen Operation wieder aufstehen und laufen können, ist inzwischen üblich.“

 

Marlies Frielinghaus profitierte auch von der Ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV), einer umfassenden Versorgungsform, die in Ravensburg Prof. Thiel, Emmanouilidis und Oberarzt Dr. Florian Corvinus gewährleisten. „Die ASV richtet sich speziell an Patienten mit Tumoren des gastroenterologischen Trakts. Durch diese Spezialsprechstunde können alle nötigen Untersuchungen, Rezepte und Verordnungen schnell, unkompliziert und mit minimalem Aufwand direkt am EK erfolgen“, erklärt Emmanouilidis. „Binnen kürzester Zeit werden sämtliche Befunde erhoben, die interdisziplinäre Tumorkonferenz legt die passende Behandlung fest und die Therapie wird so rasch wie möglich eingeleitet.“


Bei Marlies Frielinghaus sah dies so aus, dass bei einer externen Magen- und Darmspiegelung ein bösartiger Tumor im Magen entdeckt wurde. Bei einer erneuten Gastroskopie überprüfte Prof. Peter Klare, Chefarzt der Inneren Medizin I am EK, ob der Tumor endoskopisch entfernt werden konnte. Da dies unmöglich war, wurde der Fall in der Tumorkonferenz der OSK vorgestellt, die sich für eine Operation entschied – in Absprache mit der Anästhesie, die die Belastungsfähigkeit der Patientin untersuchte und ihr Einverständnis gab.

„Für uns Ärzte zählt immer das biologische Alter, nicht das kalendarische. Und wenn wir einen Patienten von seinem Tumor heilen oder seine Tumorbeschwerden zuverlässig beseitigen können, dann tun wir das“, sagt Prof. Thiel. Dank ihrer ausgewiesenen Expertise im Bereich der Speiseröhren- und Magenchirurgie hat das St. Elisabethen-Klinikum inzwischen alle Voraussetzungen erfüllt, um 2026 als Magenzentrum anerkannt zu werden. Damit wird das Viszeralonkologische Zentrum, das bislang aus Darm- und Pankreaszentrum besteht, aller Voraussicht nach um einen wichtigen Schwerpunkt erweitert.


Marlies Frielinghaus ist derweil auf bestem Wege, wieder ganz gesund zu werden. Drei Wochen verbrachte sie nach der OP in der Geriatrischen Rehabilitation am EK, wo ihre Muskeln und ihre Koordination durch Logopädie, Ergo- und Physiotherapie wieder gestärkt wurden. „Alles war vorbereitet in der Klinik, die komplette Behandlung und Nachsorge, wie aus einem Guss. Und alles, was auf mich zukommt, hat man mir in den Vorgesprächen so erklärt, dass ich es begriffen habe. Mit einfachen Worten, das ist sehr wichtig. Früher verstand man die Ärzte ja gar nicht, das waren viele noch Halbgötter in Weiß.“


Inzwischen ist Marlies Frielinghaus wieder zurück in ihrer Wohnung. Weihnachten hat sie genossen, sie hat ihre Kinder, Enkel und Urenkel wiedergesehen, die sie sehr liebt. Dem Personal am St. Elisabethen-Klinikum hat sie zum Dank Geschenke vorbeigebracht. Sich selbst wünscht die 88-Jährige noch viele gesunde Jahre, für jeden Tag mehr ist sie dankbar. „Blumen, Sonnenstrahlen, Kinder – es gibt so viele schöne Dinge auf dieser Erde“, sagt sie. „Man muss sie nur sehen.“