Neuro-SAFE-Technik bei der Da Vinci-Prostataoperation am EK steigert die Lebensqualität der Männer

Prostatakrebs ist die häufigste Krebsdiagnose bei Männern, in Deutschland werden jährlich 65000 neue Fälle diagnostiziert. Jeder vierte Krebsbefund bei Männern betrifft damit die Vorsteherdrüse. Neben der Lebensgefahr (15 000 Sterbefälle pro Jahr) kann durch die Krankheit auch die Lebensqualität stark negativ beeinflusst werden, etwa die Sexualität. Bei herkömmlichen Operationen wird zwangsläufig häufig das Nervengewebe in Mitleidenschaft gezogen, was die Erektionsfähigkeit reduzieren und auch Frühkontinenz verursachen kann.

Eine neue Untersuchungstechnik bei der nervenerhaltenden, roboterassistierten Operation, die seit kurzem in Ravensburg am St. Elisabethen-Klinikum angewendet wird, könnte in vielen Fällen Linderung bringen. Die Klinik für Urologie am EK und Chefarzt Prof. Dr. Florian Jentzmik bietet in Kooperation mit dem Institut für Pathologie Ravensburg bei Prostata-Krebsoperationen eine Schnellschnitttechnik höchster Präzision an, auch Neuro-SAFE-Technik genannt. Bei diesem Verfahren wird die gesamte, etwa kastaniengroße Prostata nach ihrer Entfernung noch während des Eingriffs von Pathologen mittels eines Schnellschnitts auf wuchernde Krebszellen an den Rändern untersucht. Dadurch wird festgestellt, ob und wo Tumorzellen die Ränder durchbrochen haben. Nur an diesen Kontaktstellen, den neurovaskulären Bündeln, wird anschließend auch das Nervengewebe entfernt.

Eine schonende Methode, die für die Patienten ein Segen sein kann. „Wir und die Pathologen sind glücklich darüber, unseren Patienten diese Methode anbieten zu können, die wir zudem dank des Roboter-Assistenten Da Vinci noch schonender durchführen können. Die Neuro-SAFE-Technik hat große Effekte auf die Patientenzufriedenheit und wird künftig bei nerverhaltenden Operationen - das ist ein Drittel aller Fälle - der Standard bei uns sein. Leider kann nicht jede Operation nerverhaltend sein, zumeist, weil der Krebs oft schon zu weit fortgeschritten und der Tumor zu aggressiv ist“, erklärt Prof. Jentzmik.

Bisher wurden bei Prostata-Operationen nur Ausschnitte aus den Nervenbereichen des Bettes, in dem sich die Prostata befand, entnommen und untersucht - je nach Ergebnis und Fall wurde danach weiteres Nervengewebe entfernt. „Beim Neuro-SAFE-Verfahren werden alle Nerven-bereiche der gesamten Prostata im Schnell-schnittverfahren untersucht, das ist noch präziser und schonender als herkömmliche Verfahren und macht einen großen Unterschied“, sagt Pathologe Dr. Joachim Alfer. Die Vorgehensweise ist aufwendig, weil es sich um einen minimalinvasiven Eingriff handelt: Um die Prostata herauszuoperieren, wird der Da Vinci-Roboter abgedockt und ein Trokar entfernt. Über einen Bergebeutel wird das gesamte Organ dann entnommen und ins Institut für Pathologie neben dem EK entsandt. Hier wird zunächst schockgefroren, dann werden ein Mikrometer (Tausendstel Millimeter) dünne Schnitte an den Rändern abgetrennt und von Pathologen auf Krebszellen analysiert. Derweil wird im OP-Saal die Wunde zugenäht und der Trokar wiedereingesetzt, damit nach dem Pathologie-Befund im Zweifel weitere angrenzende Krebsstrukturen entfernt werden können.

Teilentfernungen der Prostata machen übrigens medizinisch keinen Sinn. „Prostatakrebs wächst ähnlich wie ein Schimmelpilz, er kann überall und nirgends sein in und um dieses Organ herum, vor einer Komplettentfernung kann man das nicht feststellen“, sagt Prof. Jentzmik. Zudem wäre die Rekonstruktion im Falle einer Teilentfernung anatomisch nicht mehr machbar. „Harnblase und Harnröhre müssten ja irgendwo andocken, zusammenwachsen, das ist schlicht unmöglich.“

Das Alter, in dem Prostataoperationen am häufigsten sind, liegt bei Mitte 60. Allerdings kann die Krankheit auch schon 50-Jährige heimsuchen. Der Chefarzt rät dazu, die empfohlenen urologischen Krebsvorsorgeuntersuchungen ab dem Alter von 45 Jahren auch wahrzunehmen.